Grenzen setzen ist ein zentrales Thema in der Persönlichkeitsentwicklung, das oft übersehen wird. Dabei ist es unerlässlich, um gesund und ausgeglichen durchs Leben zu gehen. Insbesondere für Menschen, die viel geben – sei es im Beruf, in der Familie oder in zwischenmenschlichen Beziehungen – ist das Setzen von klaren Grenzen eine Form von Selbstfürsorge.
Doch warum fällt es uns oft so schwer, „Nein“ zu sagen? Und wie können wir lernen, unsere eigenen Grenzen zu respektieren und zu kommunizieren, ohne dabei Schuldgefühle zu haben?
In diesem Beitrag gehe ich darauf ein, wie Grenzen gesetzt werden können, warum das für die eigene Gesundheit wichtig ist, und gebe praktische Tipps aus meiner Beratungserfahrung.
Warum ist Grenzen setzen so wichtig?
Grenzen sind ein Schutzschild, das uns davor bewahrt, emotional oder körperlich auszubrennen. Ohne klare Grenzen riskieren wir, dass unsere Bedürfnisse ständig übergangen werden. Besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen können verschwommene oder fehlende Grenzen dazu führen, dass wir uns ausgebeutet oder überfordert fühlen.
Oft neigen Menschen dazu, Grenzen zu missachten, weil sie Angst haben, als egoistisch oder unfreundlich wahrgenommen zu werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wer seine Grenzen kennt und sie kommuniziert, handelt nicht nur im eigenen Interesse, sondern schafft auch Klarheit für andere.
Praxisbeispiel: Wenn „Nein sagen“ zur Herausforderung wird
Das folgende Beispiel ist eine Zusammenstellung mehrerer Fälle aus meiner Beratungspraxis. Es dient zur Veranschaulichung, doch in dieser Form existiert es nicht. Zudem kann es sich sowohl um einen Klienten als auch um eine Klientin handeln – Berufsbezeichnungen und Details wurden geändert, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten. Selbstverständlich gebe ich keine realen Einzelfälle preis.
Ein Klient (oder eine Klientin), der in seiner Arbeit besonders engagiert war, übernahm ständig zusätzliche Aufgaben. Ob es darum ging, Projekte zu organisieren, für Kollegen einzuspringen oder in der Freizeit noch private Verpflichtungen zu erfüllen – er sagte immer „Ja“. Obwohl er innerlich spürte, dass seine Grenzen erreicht waren, fiel es ihm schwer, sich zurückzunehmen, da er befürchtete, dass andere ihn als unzuverlässig oder egoistisch wahrnehmen könnten.
Nach einiger Zeit führte diese dauerhafte Überforderung dazu, dass seine Gesundheit darunter litt. Er fühlte sich ausgelaugt, hatte keine Energie mehr für seine Familie oder Freizeitaktivitäten und entwickelte sogar physische Symptome wie Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.
Erst als er begann, bewusst „Nein“ zu sagen und Aufgaben abzugeben, bemerkte er, dass sich seine Lebensqualität deutlich verbesserte.
Grenzen setzen: Es kann sich komisch anfühlen
Wenn du beginnst, Grenzen zu setzen, kann es anfangs unangenehm oder ungewohnt sein. Vielleicht empfindest du ein schlechtes Gewissen, weil du Menschen enttäuscht oder nicht allen Erwartungen gerecht wirst. Das ist normal, vor allem, wenn du lange Zeit in einem Modus des ständigen „Ja-Sagens“ gelebt hast. Aber dieses Unwohlsein ist Teil des Prozesses, dich selbst mehr zu respektieren und deine Bedürfnisse zu schützen.
Darüber hinaus kann es passieren, dass Menschen in deinem Leben – besonders jene, die von deinem fehlenden Grenzen setzen profitiert haben – negativ auf deine Veränderungen reagieren. Es könnte sein, dass du hörst, du hättest dich verändert oder seist „anders“ geworden, und das wird nicht immer als positiv wahrgenommen. Manche werden versuchen, dich wieder in alte Muster zu drängen, weil es für sie bequemer war. Doch das ist in Ordnung.
Es kann sogar sein, dass du dich von einigen dieser Menschen distanzieren musst. Menschen, die deine Grenzen nicht respektieren, tragen oft nicht zu deinem Wohlbefinden bei. Auch wenn es schwerfällt, kann es wichtig sein, solche Beziehungen loszulassen, da sie langfristig deine psychosoziale Gesundheit belasten.